In jenen Tagen 9asagte der Herr zu Jósua: Heute habe ich die ägyptische Schande von euch abgewälzt. 10 Als die Israeliten in Gilgal ihr Lager hatten,feierten sie am Abend des vierzehnten Tages jenes Monatsin den Steppen von Jéricho das Pessach. 11 Am Tag nach dem Pessach, genau an diesem Tag,aßen sie ungesäuerte Brote und geröstetes Getreideaus dem Ertrag des Landes. 12Vom folgenden Tag an, nachdem sie von dem Ertrag des Landes gegessen hatten, blieb das Manna aus; von da an hatten die Israeliten kein Manna mehr, denn sie aßen in jenem Jahr von der Ernte des Landes Kanaan.
Vielfach wird heute eine „Wendezeit“ (New Age) beschworen: von einer verfehlten rationalistischen hin zu einer ganzheitlich-mystischen Welt- und Lebenseinstellung. Das Bewusstsein des „Übergangs“ ist uralt und bildet die Grundlage der jüdischen wie christlichen Lebens- und Geschichtsauffassung. Dies zeigt auch der Text aus der theologischen Deutung („deuteronomistisches Geschichtswerk“) des Übergangs zweier Epochen Israels (Auszug und Landnahme).
JHWHs Heilswort V 9a ergeht zum Abschluss der Beschneidung des Volkes in Gilgal (bei Jericho), hat jedoch umfassendere Bedeutung: Das „Abwälzen der Schande Ägyptens“ meint, dass Gott nun endgültig sein Volk in die volle Freiheit, ins Leben versetzt. Es meint aber auch das Ende der gefahrvollen Wüstenwanderung, in der das Volk durch Ungehorsam immer wieder sein Verderben und damit den Hohn der Ägypter heraufbeschwor. Es meint schließlich die Wegnahme dessen, was Israel im „unreinen“ Land Ägypten an der kultischen Verbindung mit JHWH hinderte.
In diesem anfanghaften „Erlöstsein“ begeht (V 10) die Volksgemeinde das Pascha, das einen Übergang markiert: Es ist nicht nur Gedächtnis der Befreiungstat JHWHs, sondern blickt auch verheißend auf den Einzug ins Gelobte Land. Wer es begeht, bereitet sich, die göttliche Heilsgabe zu empfangen und das Seine dafür zu tun.
Der Übergangscharakter wird unterstrichen durch das mit dem Pascha verbundene Essen von ungesäuerten Broten und geröstetem Korn (V 11). Beide symbolisieren als Erstlingsgaben des Gelobten Landes gleichsam das Angeld für die volle Inbesitznahme. Auch wird damit das Frühlingsfest der Hirten Israels (paesah) mit dem der Bauern Kanaans (massôt) verbunden (vgl. Ex 12-13). Die Übergangssituation dieses Pascha ist außerdem gekennzeichnet durch das Aufhören des Manna (V 12), das JHWH in der Wüste reichte (Ex 16; Num 11). Die Wanderung hat ihr Ziel erreicht.
Die skizzierte Situation steht repräsentativ für die gesamte Existenz des alt- und neubundlichen Gottesvolkes: zwischen Schon-Erlöstsein und tätiger Erwartung der noch kommenden Vollendung. Wie die Juden beim Pesach setzt die Gemeinde Christi in ihrem österlichen Pascha stets neu diese Übergangssituation präsent: im Gedächtnis von Gottes Erlösungshandeln in Jesu Kreuz und Auferstehung, aber auch in Erwartung der von Gott geschenkten Vollendung. Diese Einsicht überholt bei weitem das diffuse Verlangen nach einer sogenannten „Wendezeit“.