Ein Jahr Ukraine-Krieg: "Gott setzt auch im Krieg Zeichen der Liebe"
Wien, den 25. Februar 2023
"Der Friede des Herrn sei alle Zeit mit euch!" – Die bekannte Eröffnungsformel, mit der der Priester die Gläubigen zum Gottesdienst begrüßt, hat einen besonderen Klang in diesen Tagen. Denn sie spricht von einem Frieden, der allüberall schmerzlich vermisst wird. Die Welt erscheint zerrissen, alte Fronten zwischen Ost und West verhärten sich erneut und die Meldungen aus der Ukraine lassen erschaudern. Wo ist Gott, wo der Mensch? Tatsächlich sind es diese großen, alten Fragen, an die der Hochmeister des Deutschen Ordens, Frank Bayard, bei einem Friedensgebet am Freitag, 24. Februar, in der Wiener Franziskanerkirche erinnerte. Es war dies ein symbolträchtiges Datum, markiert es doch den ersten Jahrestag seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine.
Zu dem Gottesdienst, dem ein Rosenkranzgebet vorausging und der mit einem Kreuzweg endete, hatte der "Rosenkranz Sühnekreuzzug" (RSK) geladen. Mit dem Hochmeister haben P. Benno Mikocki und P. Elizeusz Hrnko OFM konzelebriert. Anwesend war außerdem der Pfarrer der ukrainischen Gemeinde, Taras Chagala.
Am Gebet um den Frieden festhalten
Auch wenn die Realität des Kriegs nur Leiden und Tod kenne, so gelte es doch stets daran zu erinnern, "dass Gott auch im Krieg Zeichen der Liebe setzt", führte Bayard in seiner Predigt aus. Die Kirche habe die Aufgabe, dies immer wieder sichtbar zu machen durch praktische Hilfe für die Opfer und Betroffenen, durch ihren Einsatz und ihr Gebet für den Frieden: "Die Kirche muss weiter humanitäre Hilfe leisten, den Ruf nach Frieden nicht verstummen lassen und am Gebet um den Frieden festhalten."
Bayard erinnerte daran, dass weltweit aktuell 350 Kriege und kriegerische Konflikte stattfänden - nicht alle würden so präsent sein wie jener in der Ukraine. Dieser schmerze umso mehr, als er neben dem Krieg in den 1990er-Jahren auf dem Gebiet des früheren Jugoslawien "der erste Krieg seit fast 80 Jahren ist, der uns so nah rückt". Angesichts der erschütternden Bilder und Berichte aus dem Kriegsgebiet gebe es allen Anlass, an Gott zu zweifeln - doch so lange es Menschen gebe, die selbst in größter Not, Verzweiflung und Gefahr ihren Glauben lebten und ihre Hoffnungen auf Gott setzen, "sind wir nicht verloren auf dieser Welt" und seien Christen gefordert, "sich für das Ende des Krieges einzusetzen", so Bayard. "Wir werden uns weiter bemühen, der Liebe zum Durchbruch zu verhelfen."
Der Friede sei dabei "nie etwas Fertiges, Abgeschlossenes", sondern müsse immer wieder neu hergestellt und bewahrt werden. Dazu brauche es den Mut, den ersten Schritt zu setzen und zu vergeben, zitierte Bayard Papst Johannes Paul II. aus seiner Botschaft zum Weltfriedenstag von 2002: "Kein Friede ohne Gerechtigkeit, keine Gerechtigkeit ohne Vergebung". Jeder Mensch sei gefordert, in dem Sinne zum Friedensbringer zu werden und bereit zu sein, zu verzeihen - so schwer sich das auch darstelle und "so dünn das Eis auch ist, auf das wir uns da begeben".
Rosenkranz und Kreuzweg
Eröffnet wurde die Feier mit einem Rosenkranzgebet. Im Anschluss lud der RSK zu einem Kreuzweg. Dabei wurden Texte vom früheren Innsbrucker Bischof Reinhold Stecher (1921-2013) gelesen. Den Abschluss bildete die Möglichkeit zum persönlichen stillen Gebet, musikalisch begleitet von P. Manuel Sandesh. Für die gleichermaßen stimmungsvolle wie einfühlsame musikalische Gestaltung des Gottesdienstes zeichneten Thomas Dolezal (Orgel) und Wolfram Wagner (Flöte) verantwortlich. Die musikalische Begleitung des Kreuzweges übernahmen Claudia Pumberger (Sopran), Edeltraud Wurzer (Alt), Ivan Bingula (Tenor) und Thomas Dolezal (Bass).
Text & Fotos: Henning Klingen