Ein Leben für Frieden und Versöhnung
Gemeinsam mit ihrem 1991 verstorbenen Mann Jean Goss hat Hildegard Goss-Mayr im unermüdlichen Einsatz in vielen Krisengebieten - von Lateinamerika bis zu den Philippinen, vom Libanon bis Afrika - die Menschen mit Spiritualität und Praxis des gewaltfreien Einsatzes für Gerechtigkeit und Frieden vertraut gemacht. Die überzeugte Katholikin wurde bereits zwei Mal für den Friedens-Nobelpreis nominiert. 1991 wurde sie mit dem Niwano-Friedenspreis ausgezeichnet.
Hildegard Goss-Mayr wurde 1930 in Wien als Tochter des Gründers des österreichischen Zweigs des Internationalen Versöhnungsbundes, Kaspar Mayr, geboren. Nach den Erfahrungen der NS-Herrschaft in ihrer Kindheit studierte sie in Wien und in New Haven (USA) Philosophie, Philologie und Geschichte. 1953 promovierte sie als erste Frau an der Wiener Universität "sub auspiciis". Im selben Jahr begann sie für den Internationalen Versöhnungsbund zu arbeiten. 1958 heiratete sie den französischen Friedensaktivisten Jean Goss, mit dem sie zwei Kinder bekam.
Bis Anfang der 1960er Jahre engagierte sie sich vor allem für den Aufbau gewaltfreier Bewegungen und für den Ost-West-Dialog. 1958 fanden auf Betreiben Hildegard Goss-Mayrs zum ersten Mal katholische, evangelische und orthodoxe Christen aus aller Welt, auch aus der damaligen Sowjetunion, zusammen, um sich mit der Bedeutung der Gewaltlosigkeit Jesu zu befassen. 1962 begann sie ihre Arbeit in Lateinamerika für den Aufbau gewaltloser Befreiungsbewegungen. Sie wurde Beraterin von Bischöfen wie Dom Helder Camara. Von ihr beeinflusst ist auch der argentinische Friedensnobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel, der den gewaltlosen Kampf gegen die argentinische Militärdiktatur anführte.
Einfluss auf das Konzil
Während des Zweiten Vatikanischen Konzils erstellte Goss-Mayr zusammen mit den Theologen Yves Congar, Bernhard Häring und Karl Rahner Vorschläge zur Gewaltlosigkeit, die in der Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" Niederschlag fanden. Anfang der 1970er Jahre weitete sie ihr Engagement auf Afrika und in den Nahen Osten aus, Anfang der 1980er Jahre nach Asien. Der Erfolg der "Rosenkranz-Revolution" gegen das Marcos-Regime auf den Philippinen war auch ihrem Einfluss und ihrer Schulung von Gruppen für den gewaltlosen Widerstand zu verdanken; Hildegard Goss-Mayr wurde deswegen auch 1987 - wie schon 1979 - für den Friedensnobelpreis nominiert. Später galt ihr Engagement vor allem der Friedensförderung in den Staaten des Gebietes der "Großen Seen" (Grands Lacs) in Ostafrika.
In Österreich setzte sie sich v.a. für die Umsetzung der aktiven Gewaltfreiheit in den christlichen Kirchen und im interreligiösen Dialog, für die Schaffung von Friedensdiensten sowie für die Ziele der UNO-Dekade für eine Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit (2001-2010) ein.
Von 1966 bis 1985 war Hildegard Goss-Mayr die Vizepräsidentin des Internationalen Versöhnungsbundes. Seit 1985 ist sie Ehrenpräsidentin der Organisation. Sie veröffentlichte zahlreiche Publikationen zu den Themen Gewaltfreiheit, Frieden und Versöhnung. 1996 erschien ihre Autobiografie mit dem Titel "Wie Feinde Freunde werden" mit einem Geleitwort von Kardinal Franz König. Ihr Engagement wurde mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, unter anderem erhielt sie 1979 den Preis der "Bruno-Kreisky-Stiftung für Verdienste um die Menschenrechte.
Hildegard Goss-Mayr lebt heute zurückgezogen in einer kleinen Wohnung in Wien, nimmt aber immer noch rege an den Aktivitäten des Internationalen Versöhnungsbundes anteil.
Im Gespräch mit Hildegard Goss-Mayr
Die österreichische Bundesregierung ist dringend angehalten, sich international wieder stärker für den Frieden einzusetzen. Das hat Hildegard Goss-Mayr, Ehrenpräsidentin des Internationalen Versöhnungsbundes, im "Kathpress"-Interview betont. "Als ein immer noch neutrales Land ist es unsere Aufgabe, Brücken zu bauen zwischen Staaten und Konfliktparteien", so Goss-Mayr wörtlich. Die gebürtige Wienerin feiert am 22. Jänner ihren 90. Geburtstag.
Der Internationale Versöhnungsbund lädt anlässlich ihres Geburtstages am Samstag, 15. Februar, um 10.30 Uhr zu einem Dankgottesdienst mit anschließender Festmatinee in die Wiener Pfarrkirche St. Josef Sandleiten (Sandleitengasse 53, 1160 Wien). An der Veranstaltung wird auch der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler teilnehmen.
Goss-Mayr war von 1966 bis 1985 Vizepräsidentin des Internationalen Versöhnungsbundes. Seit 1985 ist sie Ehrenpräsidentin der Organisation. Ihr Friedensengagement führte sie auf alle Kontinente. Sie lebt heute zurückgezogen in einer kleinen Wohnung in Wien, nimmt aber immer noch rege an den Aktivitäten des Internationalen Versöhnungsbundes und am allgemeinen politischen Geschehen teil.
Positiv würdigte Goss-Mayr, dass die neue heimische Bundesregierung einen zivilen Friedensdienst einführen will: "Sowohl für Österreich als auch international wäre das sehr wichtig."
Gegen die zunehmen härter werdenden innergesellschaftlichen Auseinandersetzungen - Stichwort "Hass im Netz" - helfe nur Dialog bzw. neue Initiativen, dass die Menschen, vor allem die Jugend, wieder dialogfähig wird. Goss-Mayr: "Wo können wir hier Ansätze schaffen, dass wir die gemeinsamen Faktoren stärken und dass wir auch weiterhin im Dialog bleiben?" Es werde sehr schnell der Dialog abgebrochen, "aber wenn man lernt, einen Dialog wirklich zu führen, in dem zunächst die Persönlichkeit des anderen akzeptiert wird, und man jene Wurzeln aufdeckt, die wir gemeinsam haben, auf humanitärer oder religiöser Ebene, dann sind wir schon ein gutes Stück weiter und können auch zu gemeinsamen Lösungen kommen". Sie hoffe sehr, "dass mit den Grünen in der Regierung jetzt auch die dialogische Perspektive politisch in den Vordergrund gestellt wird".
Weltweiter Einsatz
Gemeinsam mit ihren 1991 verstorbenen Mann Jean Goss setzte sich Hildegard Goss-Mayr ab den 1950er-Jahren weltweit für Frieden und Gerechtigkeit ein. Während mehrmaliger langer Aufenthalte in Lateinamerika organisierten sie beispielsweise Konferenzen zur Propagierung der Gewaltfreiheit und arbeiteten u.a. mit dem späteren Friedensnobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel und mit dem brasilianischen Erzbischof Dom Helder Camara zusammen.
Seminare zur Gewaltfreiheit führte das Paar auch in Länder und Regionen, die von Krieg und Gewalt gezeichnet waren: Irland, Balkan, südliches Afrika, Nahost und El Salvador. In den 1980er Jahren folgten Besuche in Asien - Philippinen, Thailand, Bangladesh und Hongkong.
1962 setzten sich Jean und Hildegard als Beobachter des Zweiten Vatikanischen Konzils in Rom für Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen ein. Beide erarbeiteten zusammen mit den Theologen Yves Congar, Bernhard Häring und Karl Rahner Vorschläge zur Gewaltlosigkeit, die in der Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" Niederschlag fanden.
Sie habe in allen Kulturen und Religionen die Erfahrungen gemacht, dass es "Aspekte von alternativen Ansätzen zu Gewalt gibt", sagte Goss-Mayr: "Immer galt und gilt es, diese Kräfte zu stärken, die die Wurzeln der Gewaltfreiheit in sich tragen. Und das ist schon auch immer wieder gelungen." So sei es auch durchaus möglich, "innerhalb des Islam jene Kräfte zu stärken". Auch mit muslimischen Partnern sei es immer wieder gelungen, gemeinsame Initiativen in Konfliktsituationen zu ergreifen; etwa im Balkankrieg. Goss-Mayr: "Hier ist es dem Versöhnungsbund gelungen, Menschen verschiedener religiöser und kultureller Traditionen zusammenzubringen und mit ihnen gemeinsame Versöhnungsschritte zu erarbeiten. Auch in Algerien gab es muslimische Gruppen, die ansprechbar waren für die Haltung der Gewaltfreiheit."
Sorgen bereiten Goss-Mayr auch diverse nationale europäische Tendenzen: "Das ist wirklich eine große Gefahr, dass man immer wieder nationale Eigeninteressen in den Vordergrund spielen will." Sie habe freilich die Hoffnung, "dass die Europäische Union wirklich gemeinsame Werte entwickelt und nicht auf Aufrüstung, sondern auf internationale Friedensarbeit setzt".
Der Appell der 90-jährigen Friedensaktivistin an die heutige Jugend: "Dass wir nie die Hoffnung verlieren, dass wir nie die Haltung der Gewaltfreiheit und die Gewissheit verlieren, dass die Haltung der Gewaltfreiheit diejenige ist, die wirklich den Menschen dient und die zutiefst verwurzelt ist in unserem Menschsein."
Quelle: www.kathpress.at