Gebet im Stephansdom für nächste Regierung
Die derzeitigen Sondierungsgespräche für die Bildung der neuen Bundesregierung waren Thema beim "Gebet für Österreich" am Nationalfeiertag im Wiener Stephansdom. Die Sondierungen hätten zum Inhalt, "wer denn für dieses Ganze, das Österreich und somit unsere Heimat ist, mit all den Menschen, Verantwortung übernimmt", rief der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl, der den Gottesdienst am Samstagabend leitete, in Erinnerung. In seiner Predigt ermutigte er die nächste Regierung wie auch die Gesellschaft zu einer "Denkweise des lebendigen Miteinanders, die nicht nur das eigene im Blick hat". Als Bestandteile dieses Miteinanders nannte Krautwaschl zunächst eine Offenheit für Andere.
Zu meinen, man könne "bestimmte Personen und Dinge fernhalten", sehe er eher als "Zeichen von Schwäche", betonte der Bischof. Niemand könne sich abschotten vom Weltgeschehen, denn "wir sind in Österreich in dieser einen Welt, in diesem Europa, und nutzen wie selbstverständlich die Ressourcen des Planeten über Gebühr aus". Die "weit verbreitete Verunsicherung" sei nur durch Liebe zu überwinden - was auch die Politik auf ihre Weise versuchen müsse, gab Krautwaschl zu verstehen. Österreich profitiere vom "gelebten Mit- und Füreinander von Völkern und Nationen", während "abgrenzende Definitionen" Leben und Entfaltung verhinderten. Auseinandersetzungen wegen unterschiedlicher Standpunkte gelte es mit Achtung voreinander auszutragen, fuhr der steirische Oberhirte fort. Letztere sei nicht möglich, wenn man glaube, "den starken Mann, die starke Frau spielen zu müssen". Die große Vielfalt in der österreichischen Bevölkerung gelte es zudem als "Chance" zu sehen. Krautwaschl: "Je mehr wir uns alle auf der Suche nach der Wahrheit und damit Gott wissen und diese auch einander ehrlich zugestehen, desto mehr wird es möglich sein, das Miteinander unterschiedlichster Menschen für alle zum Segen werden zu lassen." Zu den je eigenen Überzeugungen sollte man stehen, diese aber in Diskurs zueinander bringen.
für Jugend Besonders junge Menschen müsse die Gesellschaft Achtung, eine "Hoffnungsperspektive" und Möglichkeiten der Entfaltung bieten, forderte der Bischof. Dazu sei es nötig, bei Themen wie Arbeit, Bildung, Gesundheit, Wohlstand und Erhaltung des Lebensraumes Ausgleich zu schaffen. Dieses "Ja zum Leben" sei essenziell für die Kreativität, Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft. An die künftigen Mitglieder der noch zu bildenden Regierung gerichtet, rief Krautwaschl in Erinnerung, dass die Minister "Diener aller" sein sollten. Österreich gelte es jene "Seele und Spiritualität" zu geben, die schon der frühere EUKommissionspräsident Jacques Delors für Europa als wichtig erachtet habe, so Krautwaschl. Christen könnten von ihrem Selbstverständnis gar nicht anders, als sich in die Gestaltung Österreichs einzubringen, weshalb man sie nicht "in geschützte Kirchenräume zurückdrängen" dürfe. Das Engagement der Zivilgesellschaft für Zusammenhalt und Würde aller gelte es unbedingt ernst zu nehmen.
Steirische Note Den Rahmen des "Gebetes für Österreich" bildete eine Marienfeier, die mit einer Lichterprozession durch den Stephansdom begann und entsprechend der Diözese des Hauptzelebranten diesmal einen Steiermark-Schwerpunkt enthielt. Zu hören waren neben der Mariazeller-Messe von Joseph Haydn Werke steirischer Komponisten wie Anton Faist oder Franz Fahrleitner. Die steirische Landtagspräsidentin Gabriele Kolar richtete ein Grußwort an die Mitfeiernden, die Landtagsabgeordnete Hedwig Staller trug die Lesung vor. Nach dem Evangelium wurden in einer Litanei die österreichischen Landes- und Diözesanpatrone angerufen.
Bereits seit mehreren Jahren wird der österreichische Nationalfeiertag kirchlich durch eine Marienfeier im Wiener Stephansdom (ebenso wie in der Mariazeller Basilika) begangen. Die Gottesmutter Maria wird dabei als "Schutzfrau Österreich" angerufen in einem Lied, das der Franziskanerpater Petrus Pavlicek (19021982) nach dem Erreichen des Staatsvertragesund dem Abzug der militärischen Besatzer 1955 getextet hat. Anlass war damals der Dank für den neuen Frieden in Österreich, dem jahrelange Gebete um die Unabhängigkeit mit Beteiligung Hunderttausender Menschen vorausgegangen waren. Schlusspunkt der Messe bilden traditionell die Bundeshymne sowie das Läuten der Pummerin, Österreichs größter Glocke.