Trauer um Russlandexperten und Ökumenepionier Bonifaz Tittel
Der dem Wiener Schottenstift angehörige Benediktiner starb am 27. März nach langer Krankheit im 71. Lebensjahr in Wien. Tittel leitete zuletzt die Stiftspfarre Breitenlee in Wien-Donaustadt.
Dem RSK war P. Bonifaz vielfach verbunden: persönlich, über seine Familie und in dem großen Anliegen weltweiter Versöhung und Friedensbemühungen.
Im Jubiläumsjahr 1917 • 1947 • 2017 war das jahrzehntelange RSK-Mitglied auch verschiedentlich in Veranstaltungen eingebunden:
Den Abend im März über seinen Vater, den Komponisten und jahrzehntelangen, treuen Organisten der Franziskanerkirche Ernst Tittel, konnte er noch mitgestalten. Beim Sommerkino im Juni und August war ihm krankheitsbedingt leider nicht mehr möglich, über die Zusammenhänge zwischen den Ereignissen in Fatima und Russland aufzuzeigen und aus seiner persönlicher Russland-Erfahrung zu berichten.
P. Bonifaz erzählte im Rahmen des RSK-Jubiläumsjahres über seinen Vater,
der ebenfalls RSK-Mitglied war.
Reinhard (Bonifaz) Tittel wurde 12. August 1947 in Wien geboren. Er trat nach der Matura im Schottenstift ein, studierte in Wien Theologie und wurde am 6. Jänner 1972 zum Priester geweiht. Er absolvierte auch das Lehramtsstudium für Russisch und Religion. Im Anschluss ging Tittel bis 1978 als einer der ersten Westeuropäer zum Studium an die Geistliche Akademie der Russisch-Orthodoxen Kirche in St. Petersburg (damals Leningrad).
Nach seiner Rückkehr richtete Tittel das Lehrfach Russisch am Wiener Schottengymnasium der Benediktiner ein. 1989 startete er eine pädagogische Pionierarbeit: Als damals einzige Schule im deutschsprachigen Raum (ohne DDR) führten die "Schotten" ein Schüleraustauschprogramm mit einer russischen Partnerschule durch. Es läuft seit damals ohne Unterbrechung. An dem Austausch-Programm können sich jene Schüler beteiligen, die ab der 5. Klasse Russisch als Wahlpflichtfach belegen. Seit der Einführung wählen immer zwischen zehn und 20 Schüler diese Sprache. Gymnasiasten werden im Wintersemester in Russland bei Familien untergebracht, besuchen am Vormittag ihre Moskauer Gastschule und nehmen an den Nachmittagen an Lehrausgängen, Besichtigungen und Kulturveranstaltungen teil. Im Sommersemester erfolgt jeweils der Gegenbesuch der jungen Russen in Wien. Die Kosten für ihren Transfer und Aufenthalt wird von den österreichischen Gastfamilien mitgetragen.
Pater Bonifaz scheute in der Gorbatschow-Zeit auch nicht davor zurück, dass Kontakte mit der kommunistischen Parteijugend zustande kamen. "Kathpress" gegenüber berichtete er 1989, dass sich schon der Beginn eines Pluralismus zeige. Neben vielen Privatkontakten der österreichischen Besucher mit den sowjetischen Einwohnern gab es in dieser Zeit auch offizielle Gesprächsabende, an denen auch Kontroversen unter den Sowjetbürgern diskutiert wurden.
Als die Caritas der Erzdiözese Wien unter dem damaligen Direktor Helmut Schüller nach dem Armenien-Erdbeben 1988 eine umfassende Hilfe für die orthodoxe Kirche in Armenien, Russland und Weißrussland startete, wurde P. Tittel als Koordinator und späterer GUSBeauftragter geholt.
Der Ordensmann wurde mehrfach vom Moskauer Patriarchen Aleksij II. (1990-2008) empfangen, organisierte den Russland-Besuch von Kardinal Christoph Schönborn 1997 sowie die Österreich-Visite Aleksijs, die den Patriarchen im selben Jahr nach Wien und Melk führte. 2007 wurde Bonifaz Tittel für seine Pionierarbeit von der Russischen Föderation mit der Goldenen LomonossowUniversitäts-Medaille ausgezeichnet.
Quelle: kathpress.at