12 Spruch des Herrn: Kehrt um zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, Weinen und Klagen! 13Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider, und kehrt um zum Herrn, eurem Gott!
Denn er ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Huld und es reut ihn das Unheil. 14Wer weiß, vielleicht kehrt er um und es reut ihn und er lässt Segen zurück, sodass ihr Speise- und Trankopfer darbringen könnt für den Herrn, euren Gott. 15Auf dem Zion stoßt in das Horn, ordnet ein heiliges Fasten an, ruft einen Gottesdienst aus! 16 Versammelt das Volk, heiligt die Gemeinde! Versammelt die Alten, holt die Kinder zusammen, auch die Säuglinge! Der Bräutigam verlasse seine Kammer und die Braut ihr Gemach. 17 Zwischen Vorhalle und Altar sollen die Priester klagen, die Diener des Herrn sollen sprechen: Hab Mitleid, Herr, mit deinem Volk und überlass dein Erbe nicht der Schande, damit die Völker nicht über uns spotten! Warum soll man bei den Völkern sagen: Wo ist denn ihr Gott? 18Da erwachte im Herrn die Leidenschaft für sein Landund er hatte Erbarmen mit seinem Volk.
Der Prophet Joel lebte und wirkte um 400 v. Chr. Aus seinem Leben ist außer den überlieferten Aussprüchen nichts bekannt. Der Lesungsabschnitt enthält einen Bußaufruf, den der Prophet seinen ZuhörerInnen entgegenruft. Der Lesung vorausgehend ist der Anlass beschrieben. Eine gewaltige Heuschreckenplage bedroht das Land. Hinter dieser Plage steht Gott mit seinem Gericht, das allen Völkern bevorstehen wird. Angesichts dieses Gerichts ruft Gott selbst sein Volk zur Umkehr auf. Noch gibt es kein „zu spät“. Joel mahnt im Anschluss an dieses Gotteswort das Volk zur Buße: „Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider!“ (Joel 2,13). Er spielt dabei auf den damaligen Brauch an, in Situationen der Trauer die Kleider zu zerreißen und so den Schmerz und die Verzweiflung auszudrücken. Jedoch eine äußere Handlung allein ist leer und sinnlos. Der ganze Mensch mit seiner Einstellung und Besinnung muss betroffen sein, wenn die Umkehr einen Sinn haben soll.
Der Grund, sich um Buße und Umkehr zu bemühen, liegt darin, dass Gott ein gnädiger und barmherziger Gott ist, der Möglichkeit zur Umkehr gibt. Joel ruft zu einem Bußtag auf. Auf dem Zion, dem Stadtberg Jerusalems, soll ein Hornsignal den Bußtag ankündigen. Alle sollen teilnehmen. Sogar die Säuglinge werden erwähnt. Keine Entschuldigung, mag sie noch so verständlich sein, wird angenommen. Auch Braut und Bräutigam müssen das Schlafgemach verlassen. Die Priester richten sich stellvertretend für ihre Klagen und Bitten an Gott. Buße und Umkehr aus ganzem Herzen, nicht nur in äußerlichen Zeremonien, bleiben nach der Überzeugung der Bibel nicht ohne Wirkung. Joel kann seinen ZuhörerInnen verkünden: „Da erwachte im Herrn die Leidenschaft für sein Volk“ (Joel 2,18). Die Haltung Gottes wird hier sehr menschlich und schön dargestellt. Wer selbst schon Leidenschaft für jemanden verspürt hat, kann erahnen, wie Gott zu den Seinen steht.
Die Worte des Joel werden am Aschermittwoch, dem großen Bußtag der Kirche, vorgetragen. Sie haben nichts von ihrer Aktualität verloren. Wenn Jesus von Umkehr spricht, steht er ganz auf der Linie des Joel. Es ist zuwenig, nur Kleider zu zerreißen oder ein finsteres Gesicht zu machen (Mt 6,16). Echte Umkehr erfasst und betrifft den ganzen Menschen.