Der Auftrag Gottes für Josef
Was berichten uns die Evangelien über Josef? Bei Markus kommt sein Name nicht vor. Johannes erwähnt ihn nur (1,45; 6,42). Lukas teilt mit, dass Maria mit ihm verlobt ist (1,27) und zeigt ihn an ihrer Seite. Dagegen wird bei Matthäus Josef von Gott angesprochen und zum Handeln aufgefordert. Ein einziges Stichwort benennt sein Tun und kennzeichnet seine Person. Es heißt im Griechischen bei Matthäus „paralambanein“ und bedeutet: sich annehmen, zu sich nehmen, sich binden und Verantwortung übernehmen, Schutz und Sicherheit gewähren. Eintönig und eindeutig findet sich dieses Wort sechsmal: dreimal für den Auftrag Gottes (1,20; 2,13.20) und dreimal für das Handeln Josefs (1,24; 2,14.21). Ziel des Handelns sind immer „das Kind und seine Mutter“, in untrennbarer Verbundenheit.
Josef, der Mann Marias, aber nicht der leibliche Vater Jesu
Josef wird zum ersten Mal genannt am Ende des Stammbaums Jesu, der von Abraham und David herkommt (Mt 1,1-17). Dort heißt es: „Jakob zeugte den Josef, den Mann Marias; von ihr wurde Jesus geboren, der der Christus genannt wird“ (1,16). Am Anfang steht „Abraham zeugte den Isaak“ (1,2) und zuletzt „Jakob zeugte den Josef“ (1,16). Insgesamt 39-mal heißt es „er zeugte“, wird der Akt der natürlichen Weitergabe des menschlichen Lebens berichtet.
Diese lange, eintönige Reihe bricht am Ende ab, wo es nicht mehr heißt: Josef zeugte den Jesus. Und noch zweimal schließt Matthäus nachdrücklich aus, dass Josef der natürliche Vater Jesu ist. Maria hat ihr Kind vom Heiligen Geist empfangen „noch bevor sie zusammengekommen waren“ (1,18). Und nachdem Josef Maria zu sich genommen hat, sagt Matthäus: „Er erkannte sie nicht, bis sie ihren Sohn gebar“ (1,25). So stellen sich am Ende des Stammbaums zwei Fragen: Woher kommt Jesus, wenn Josef nicht sein natürlicher Vater ist? Wie soll der Stammbaum, dessen Zeugungen beim Vater Josefs enden, für Jesus gelten? Der Auftrag Gottes gibt die Antwort.
Gott bestellt Josef als den irdischen Vater Jesu
Maria ist mit Josef verlobt (Mt 1,18; Lk 1,27). Nach jüdischem Recht sind sie durch die Verlobung fest miteinander verbunden: Josef ist der Mann Marias (Mt 1,16) und Maria ist die Frau Josefs (1,20.24). Nach der Verlobung leben die Partner noch etwa ein Jahr getrennt; das Mädchen bleibt im Haus seiner Eltern. Dann holt sie der Mann in sein Haus und sie beginnen das eheliche Zusammenleben. In dieser Zeit zwischen Verlobung und Heimführung bemerkt Josef, dass Maria schwanger ist. Er weiß, dass er nicht der Vater des Kindes ist, und denkt daran, sich von Maria zu trennen und sie ihren eigenen Weg gehen zu lassen.
Da spricht Gott ihn an: „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“ (1,20).
Er soll sich nicht zurückziehen und Maria und ihr Kind sich selber und einem ungewissen Schicksal überlassen. Ganz im Gegenteil, er soll die jüdische Eheschließung zu Ende führen, Maria zu sich holen und sich definitiv mit ihr verbinden.
Damit anerkennt er Maria als seine Frau und auch ihr Kind als sein Kind, gleichsam in einem Akt von Adoption. Damit gibt er ihnen eine sichere Stellung und Raum zum Leben in der gesellschaftlichen Ordnung Israels, in der für eine alleinstehende Mutter kein Platz ist. Damit gilt vor dem Gesetz der Stammbaum Josefs, der ausdrücklich als Sohn Davids angesprochen wird (1,20), als Stammbaum Jesu, und Jesus erscheint als Abschluss und Ziel der Geschichte Gottes mit Israel. Josef gehorcht dem Auftrag aufs Wort:
„Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich“ (1,24).
Die weiteren Aufträge Gottes für Josef
Durch den ersten Auftrag wird die Beziehung, in der Josef zu Maria und Jesus steht, in ihren Grundzügen festgelegt. Die beiden anderen Aufträge gehen auf einzelne Situationen ein. Herodes will das Kind töten. Josef erhält den Befehl: „Nimm das Kind und seine Mutter und fliehe nach Ägypten“ (2,13). Wieder gehorcht Josef aufs Wort: „Da stand Josef auf, nahm noch in der Nacht das Kind und seine Mutter und floh nach Ägypten“ (2,14). Nicht Josef ist in Lebensgefahr, sondern das Kind. Er kann dem gewaltsamen Tun des Herodes nicht direkt widerstehen, aber er kann aus dessen Machtbereich fliehen und das Kind in Sicherheit bringen. Dafür verzichtet er auf das gewohnte, ruhige Leben im eigenen Land und nimmt die Mühen der Flucht und des Lebens in einer fremden Umgebung auf sich. Nicht sein Wohl, sondern das Wohl des Kindes und seiner Mutter bestimmen sein Tun.
Als mit dem Tod des Herodes die Gefahr vorüber ist, bekommt Josef den dritten Auftrag: „Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und zieh in das Land Israel“ (2,20). Und wieder betont der Evangelist, wie vollkommen Josef Gott über sich verfügen und sich in den Dienst des Kindes und seiner Mutter stellen lässt: „Da stand er auf, nahm das Kind und seine Mutter und kam in das Land Israel“ (2,21). Das Kind, das, wie der Stammbaum (1,1-17) zeigt, als Ziel der Geschichte Israels gekommen ist und das der Erlöser Israels (1,21) ist, soll nicht in einer fremden Kultur aufwachsen, sondern im Land und Volk Israel soll es in das Leben unter dem Gesetz Gottes eingeführt werden. Gott hat Josef dafür bestellt, dass er tut, was das Wohl und die Sendung des Kindes verlangen und was über dessen und seiner Mutter Kräfte geht.
Der Dienst Josefs
Gott mutet Josef diesen Lebensinhalt zu: „das Kind und seine Mutter“ und stellt ihn in eine kleine und bescheidene Welt. Sein Dienst ist alltäglich und gering und bringt kein Ansehen. Damals und heute setzen sich Männer für Macht und Einfluss unter den Menschen, für Reichtum und ein aufwändiges Leben, für die eigenen Kinder und deren Erfolg ein. Nichts davon finden wir bei Josef. Sein Dienst ist jedoch, auch rein menschlich gesehen, von fundamentaler Bedeutung. Es ist die urmenschliche Aufgabe eines Mannes, für sein Kind Vater zu sein und, zusammen mit der Mutter, die Verantwortung für das Kind zu übernehmen und für seine gute leibliche und geistige Entwicklung zu sorgen.
Der Umgang mit dieser Aufgabe ist auch von grundlegender Bedeutung für das eigene Reif- und Erwachsen-Werden und für ein gutes Zusammenleben in der menschlichen Gesellschaft. Gute Familien sind unverzichtbar für gelungenes Leben in den kleinen und großen Gemeinschaften. Josef erfüllt diese Aufgabe, die so wenig beachtet wird und zu allen Zeiten und in jeder Kultur so fundamental wichtig ist, in vorbildlicher Weise. Wie oft aber geschieht es, dass Männer die Frau, mit der sie ein Kind haben, sich selber überlassen, die Frau gar zur Abtreibung drängen und in jedem Fall sie und ihr Kind in große Not bringen. Ein solches Handeln ist unverantwortlich und ehrlos und zeigt rücksichtslosen Egoismus.
Was Josef noch im Besonderen kennzeichnet, besteht darin, dass er diesen Dienst für eine Frau tut, die nicht durch ihn Mutter geworden ist, und für ein Kind, das nicht sein Kind ist. Gott verlangt von Josef die größte Selbstlosigkeit, verleiht ihm aber auch die größte Ehre, die er einem Mann zuteilen kann. Er macht ihn zum irdischen Vater seines eigenen Sohnes, indem er ihm die Vatersorge für Jesus, seinen menschgewordenen Sohn, überträgt. Josef hat die einmalige Aufgabe, „das Kind und seine Mutter zu sich zu nehmen“, diesen alltäglichen, allgemein menschlichen und fundamental wichtigen Dienst dem Sohn Gottes und seiner Mutter zu leisten, für sie seine Person und sein Leben einzusetzen.
Prof. P. Dr. Klemens Stock SJ
em. Prof. für Neues Testament am päpstlichen Bibelinstitut
Patron der Sterbenden
Obwohl die Heilige Schrift darüber nichts berichtet, nimmt die kirchliche Tradition mit Recht an, dass Josef in der Gegenwart Jesu und Mariens sterben durfte. Darum war sein Sterben ein überaus trostvolles. In diesem Sinn hat sich der Brauch entwickelt, den heiligen Josef als Fürbitter um eine gute Sterbestunde anzurufen. Denn die Stunde unseres Todes sowie seine Art und Weise sind nicht in unsere Macht gelegt. Wir können nur auf die göttliche Vorsehung vertrauen und darum beten, dass wir in rechter Vorbereitung und im Frieden mit Gott aus dem Leben scheiden. Wer könnte da ein wirksamerer Fürbitter sein, als jener gerechte Mann, der seine Seele dem Schöpfer in der liebevollen Anwesenheit und Fürsorge von Jesus und Maria zurückgeben durfte? Der heilige Josef wird daher in der Litanei als besonderer „Patron der Sterbenden“ (patrone morientium) angerufen. Manche verrichten auch ein Gebet zum heiligen Josef für alle Sterbenden des kommenden Tages oder der kommenden Nacht, ein gewiss sehr segensreicher Brauch!
Dr. Josef Spindelböck
Der RSK hat ein Gebetsbildchen zum hl. Josef herausgegeben.
Nähere Informationen und Bestellmöglichkeiten: hier.